top of page
  • AutorenbildMiss Cooper

Katharina Hartwell - Die Silbermeer-Saga / Der König der Krähen

Aktualisiert: 26. März 2021


Verlag : Loewe

Erste Auflage : 2020


Klappentext:


Eine schwarze Feder ist das Einzige, was Edda von Tobin geblieben ist. Gleich zu Beginn der Kaltwochen ist ihr Bruder verschwunden. So wie jedes Jahr eines der Kinder Colms verschwindet. Niemand sucht nach ihnen. Das Meer ist feindlich, voller magischer Kreaturen und Gefahren. Aber für Tobin überwindet Edda ihre Angst und begibt sich ins Inselreich. Denn irgendwo dort draußen lebt der geheimnisvolle Krähenkönig, der die verlorenen Seekinder mitgenommen haben soll…




Rezension:


Salz liegt in der Luft, es legt sich auf die Haut, man schmeckt es auf der Zunge, es riecht sogar nach Salz, gepaart mit dem unverkennbaren süßlichen Duft langsam verrottender Algen. Eisig bläst der Nordwind, verwirbelt das Haar, zieht durch die Kleidung bis tief hinein in die Knochen, bleibt dort stecken wie tausend kleine Nadeln. Die Sicht ist grau und trüb, nebelverhangene Inseln schälen sich aus der aufbrausenden See. Rau und unnachgiebig ist das Leben an der Küste des Silbermeers. Und Entbehrungsreich. Entbehrungsreich vor allem an Freude. Die Tage sind gezeichnet von den immer gleichen stupiden Abläufen, eine grausame Zeitverschwendung des Lebens. Doch die verschlossenen Bewohner Colms akzeptieren ihr karges Dasein, sie kennen ja kein anderes, wollen auch kein anderes. Fürchten sich vor dem Fremden, dem Unbekannten. Und sie fürchten sich vor der Silbersee mit all ihren Kreaturen die sich in ihr verbergen, den Wassermännern, Seegespenstern, dem Königskraken. Dennoch fahren die Fischer Colms täglich hinaus auf das Meer um ihre Netze mit den wertvollen Colminfischen zu füllen. Ein Gift hängt in ihren Schuppen, so heilsam, wie tödlich. Und kostbar. Dieses Gift vom Fisch zu trennen obliegt den Frauen und Mädchen Colms, so stehen sie Tag für Tag an den Bottichen und zerstoßen die Schuppenkleider.


Die vierzehnjährige Edda Valt gehört zu jenen Fischfrauen, die sich in der dunklen Materie der Eintönigkeit verlieren. Die Bewohner Colms allerdings meiden das rothaarige Mädchen mit den stechend grünen Augen, die alles zu durchdringen scheinen. An ihr haftet eine Andersartigkeit und obwohl sie fast ihr ganzes Leben in dem Küstenort verbracht hat, fühlt sie sich selbst jetzt noch als ein Fremdkörper in der Gemeinde. Als der einflussreiche Fischer Ruben, sie und ihren kleinen Bruder Tobin auf dem Dorfplatz halb erfroren gefunden und bei sich aufgenommen hat, war sie etwa sechs. Erinnerungen an ihr altes Leben, vor Ruben hat sie nicht mehr. Umso fester bindet sie sich an dem was ihr von damals geblieben ist, ihren Bruder. Einem schüchternen, zerbrechlich wirkenden zehnjährigen. Eddas Liebe zu Tobin ist gewaltig, die Angst davor das ihm etwas geschehen könnte noch gewaltiger. Besonders während der Kaltwochen an denen jedes Jahr ein Kind aus Colm spurlos verschwindet, steigt Eddas Furcht, dass ihr Bruder eines der Seekinder werden könnte.


„Doch wie in jedem Jahr würden die Gebete, die roten Türen, die Puppen aus Holz eines der Kinder nicht schützen können. Ein Kind, das in den kommenden Tagen zum Seekind werden und bald schon nicht mehr dem Land, dem Dorf und seinen Eltern gehören würde, sondern den Fluten, dem nassen Blau, dem kühlen Grau, der dumpfen Stille tiefer Wasser.“

Die Kaltwochen haben sich erst über die Küste gelegt, als eines der Kinder verloren geht, ein Junge, allerdings nicht Tobin. Eine Welle der Erleichterung zieht durch die Gemeinde. Doch noch bevor der Frühling in Colm Einzug hält, überfällt Edda eine bittere Ahnung. Etwas hat ihren Bruder geraubt. Als sie ihr Zuhause betritt, ist Tobins Zimmer leer. Und ein zweites Mal in diesem Jahr, wird jeder Stein in Colm umgedreht, doch Tobin bleibt verschwunden. In seinem verwaisten Zimmer entdeckt Edda eine einzelne, tiefschwarze Feder, bei ihrem Anblick erinnert sie sich an einen Traum, den nicht nur sie, sondern auch ihr Bruder von einem Schwarz geflügelten Wesen hatte. Sie bringt die Feder der alten Maron, einer Hexe und erfährt von einer Legende. Auf der letzten Insel ganz im Norden des Teermeers lebt ein Wesen, den sie den König der Krähen nennen. Ihm, da ist Maron sich sicher, gehört diese Feder.


„‚Der König der Krähen hat sich deinen Bruder geholt. Und er lebt auf einer der Inseln dort draußen.‘ Sie deutete mit dem Kinn in Richtung der Silbersee. ‚Dorthin bringt er die Kinder. Er isst sie nicht. Und er gräbt ihnen auch nicht die Augen aus. Er verwandelt sie in Vögel. Damit er weniger einsam ist.‘“

Ein Hoffnungsschimmer glimmt in Edda auf. Tobin lebt, ist nicht zu einem Seekind geworden, sie muss ihn nur finden. Edda schaudert bei dem Gedanken über die tückische Silbersee, mit all ihren namenlosen Ungeheuern die sie beherbergt zu reisen. Doch sie muss ihre Furcht überwinden, für Tobin.


„Manche Geschichten können nicht so einfach erzählt werden, Mädchen. Man muss für sie kämpfen, für sie bluten, für sie reisen, fürchten und hoffen und suchen und finden und wieder verlieren.“

Literatur sollte immer etwas wagen, sie sollte glücklich machen und wehtun. Katharina Hartwell hat in ihrem ersten Band der Silbermeer-Saga „Der König der Krähen“ all das erreicht. Aus ihren Worten erwachsen Bilder und jedes von ihnen ertrinkt in Poesie. Ganz gleich wieviel Lob ich auf ihr Werk regnen lasse, es kann ihm nicht gerecht werden. Selten hat mich ein Buch emotional so berührt. Mit kaum einem Protagonisten habe ich je so mitgelitten, wie mit Edda Valt. Dem starrköpfigen, kompromisslosen, impulsiven und mutigen Mädchen, das nirgendwo hingehört und die mit dem Verlust ihres Bruders, selbst das letzte Stückchen Heimat verliert das sie kannte. Ein Mädchen das aufbricht, um nicht nur ihren Bruder, sondern auch sich selbst zu finden und die während ihrer abenteuerlichen Reise über das Silbermeer eine innere Verwandlung durchlebt. Katharina Hartwell erschafft eine fantastische Welt in der die Geschöpfe so alltäglich wirken, wie Hase und Igel. In der die Orte nur entfernt an bekannte Gegenden erinnern und die mit einer sagenhaften Präzision all die Düsternis und Melancholie dieser Welt auf dem Papier einfängt. Ein Buch über Güte, Freundschaft, bedingungslose Liebe, Vertrauen, über das Scheitern und das wieder aufstehen. Ein Buch welches ich öffnete damit es am Ende mich öffnet.

12 Ansichten0 Kommentare

Aktuelle Beiträge

Alle ansehen
bottom of page