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  • AutorenbildMiss Cooper

Kristina Hauff - Unter Wasser Nacht

Aktualisiert: 26. März 2021

1. Auflage : 2021

Verlag : Hanserblau



Klappentext:

In den idyllischen Elbauen im Wendland teilen zwei Paare Hof, Scheune und

Kräutergarten - doch ihre einst enge Freundschaft ist zerbrochen. Thies uns Sophie trauern um ihren Sohn Aaron, der unter ungeklärten Umständen ertrank. Allein mit ihren Schuldgefühlen müssen sie Tag für Tag Ingas und Bodos scheinbar perfektes Familienglück mit ansehen. Bis ein Jahr nach Aarons Tod eine Fremde in den Ort kommt und Geheimnisse ans Licht bringt, die die vier Freunde lieber verschwiegen hätten.





Rezension:

Er ist beängstigend und faszinierend zugleich. Er ist der, der unabwendbar kommt. Er ist das Ende allen Seins. Der Tod, so sagt man leichthin, gehört zum Leben dazu und ist der Preis den wir irgendwann zahlen müssen. Denn wir, wir sind nur zu Gast auf dieser Welt. Dennoch fürchten wir nichts mehr und an nichts werden wir weniger gerne erinnert, als an unsere eigene Sterblichkeit. Doch müssen wir uns Früher oder später mit dieser auseinandersetzten und arrangieren. Was ist aber, wenn es nicht um unser eigenes Ableben geht, sondern jemand stirbt, der uns nahesteht uns etwas bedeutet. Jemand der eine Lücke hinterlässt, die niemand zu füllen vermag. Plötzlich werden wir mit einer Flut aus Gefühlen konfrontiert, auf die wir nicht vorbereitet waren. Wir ringen mit Verzweiflung, Sehnsucht, Angst, aber auch mit Wut über die eigene Hilflosigkeit. So unterschiedlich oder ausgeprägt diese Gefühle auch sein mögen, gehören sie doch zu einem heilsamen, wenn auch schmerzhaften Prozess, dem der Trauer. Jeder Mensch trauert auf seine eigene Weise, dabei gibt es kein richtig oder falsch, kein kurz oder lang, keinen schweren oder leichten Schicksalsschlag. Trauer sollte nicht qualifiziert werden, sie folgt keinem Fahrplan, und ist nicht weg therapierbar.

„Bedenkt: den eigenen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muß man leben.“ Mascha Kaléko, Memento

Seit dem Verlust ihres Sohnes vor einem Jahr versuchen auch Sophie und Thies mit diesem lähmenden, allumfassenden Schmerz zurechtzukommen. Während Sophie sich in ihre Arbeit flüchtet, um dem Schmerz zu entkommen, vergräbt sich Thies in sich selbst. Redet nicht mehr, fühlt nicht mehr. Sondern streift Tag für Tag einsam durch die Elbauen, verharrt an dem Ort an dem sein Sohn dreizehn Monate zuvor nur noch Tod geborgen werden konnte. Bekleidet mit T-Shirt, Hose und Schuhen wurde er nach tagelanger Suche aus der Elbe geholt. Die Behörden gehen von einem Unfall aus, denn die Elbe ist ein trügerischer Fluss, der an vielen Stellen Untiefen birgt. Thies jedoch kann sich nicht mit dieser Theorie abfinden. Er glaubt, dass mehr dahintersteckt. Woher stammten die Kratzer in seinem Gesicht und woher hatte er das Armband, welches er bei sich trug. Vielleicht hat sich jemand an dem elfjährigen Jungen gerecht? Es wäre nicht unwahrscheinlich. Aaron war in der Gemeinde nicht gerade beliebt und bei weitem kein einfacher Junge. Er schikanierte andere, hatte spaß daran sie zu quälen, war aggressiv und unkontrollierbar. Nie war er fröhlich, nie traurig. In seinem Innern herrschten nur Wut und Ablehnung, auch seinen Eltern gegenüber. Bereits vor dem Abend seines Verschwindens, waren Sophie und Thies am Rande der Verzweiflung. Und schon damals fühlten sie sich von ihrem Umfeld im Stich gelassen. Und auch in ihrer Beziehung werden sie zu Einzelkämpfern. Sie geben sich nur noch einer Illusion von Nähe hin. Immer größer wird die Kluft zwischen ihnen. Soviel unausgesprochenes lässt sie beinahe daran ersticken. Sophie sehnt sich so unbedingt nach jemanden, der sie stützt, doch denjenigen findet sie weder in ihrem Mann, noch in ihrer besten Freundin Inga. Die sie nicht ohne Neid auf ihr perfektes Familienglück betrachten kann.

„Ich bin verbittert und ungerecht, dachte Sophie. Niemals hatte sie jemand sein wollen, der auf seine besten Freunde neidisch ist. Und doch war es so gekommen. Sie konnte ihre Gefühle nicht unterdrücken. Und deshalb konnte sie nicht mehr mit Inga befreundet sein.“

Wie durch Fügung lernt sie Mara kennen, eine Frau die in der Gegend nach jemanden sucht. In dieser Unbekannten, die auch alle anderen in ihren Bann zieht, scheint Sophie die Freundin gefunden zu haben, nach der sie sich so sehr gesehnt hat. Und auch Thies wird von ihr ins Leben zurückgeholt.

„Er spürte den Druck der Finger durch den Pullover. Und darunter sein Herz, schneller, heftiger pochend als sonst.“

Doch wer die Frau ist, die in ihre Leben eindringt und dort für noch mehr Chaos sorgt, erkennen sie erst später.


Ähnlich wie der Weg den jeder Trauernde beschreiten muss, ist auch Kristina Hauffs Roman „Unter Wasser Nacht“ ein Prozess. Anfangs wirft sie einen Mantel der Schwermut über mich, bis ich mich am Ende daraus befreie und der Hoffnung begegne.

Jedes ihrer Wörter, wirkt mit Bedacht gewählt. Emphatisch beschreibt sie die klaustrophobisch enge Welt in der Thies und Sophie leben und dabei an ihren Schuldgefühlen und den unausgesprochen Worten zu ersticken drohen. Ich spüre Sophies Verzweiflung, sowie ich Thies lähmende Gleichgültigkeit begreifen kann. Aber nicht nur ihre Charaktere gestaltet sie vielschichtig, auch das Lokalkolorit beschreibt Kristina Hauff stimmungsvoll, dabei werden kleinste Umgebungsmerkmale von ihr eingefangen. Ich konnte es vor mir sehen, das malerische Wendland, mit den Elbauen und dem sich dahinziehenden Fluss, dessen Wasseroberfläche in der Sonne glitzert. Durch den Roman führen mich hauptsächlich die beiden Protagonisten Thies und Sophie aber auch in die Gedanken und Gefühlswelt einiger Nebencharaktere, wie der von Sophies Freundin Inga, oder deren Tochter Jella tauche ich ein. Durch die Analepsen, also Rückblenden, die von den Charakteren erinnert werden, schafft Kristina Hauff eine noch größere Komplexität. Und ihr Roman erfährt dadurch einen noch größeren Spannungsverlauf. Denn ob es sich bei dem Tod von Aaron nun um einen Unfall, oder doch um etwas anderes handelt, bleibt noch zu klären. Ebenso wie weit Mara in diese Geschichte eingewoben wird. Abschließend bleibt nur noch zu sagen „Unter Wasser Nacht“ ist für mich ein ernsthafter, atmosphärischer, facettenreicher Roman, der unwahrscheinlich gut durchdacht und in sich völlig rund wirkt. Kurzum, absolut lesenswert.



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