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  • AutorenbildMiss Cooper

Oliver Pötzsch - Der Spielmann

Roman

Erstausgabe: 2018

Verlag: List


Klappentext:


DAS ÄLTESTE SPIEL DER WELT IST DAS SPIEL UM DEINE SEELE


1486: Knittligen ist ein ruhiger Ort im Kraichgau. Bis zu dem Tag, als die Gaukler in die Stadt kommen - und plötzlich Kinder verschwinden. Johann Georg, genannt „Faustus“, der Glückliche, kümmert das nicht, Ihn interessiert nur der Spielmann und Magier Tonio del Moravia, der ihm eine große Zukunft verheißt. Johann schliesst sich den rätselhaften Gesellen an, gemeinsam ziehen sie durch die deutschen Lande. Der junge Mann saugt alles auf, was Tonio ihm beibringt. Doch von Tonios Lehren geht eine ungeahnte Gefahr aus, und schon bald beschleicht Johann das Gefühl, dass sein Meister mit dunklen Mächten im Bunde steht. Mächte, die Johanns ganzes weiteres Leben bestimmen werden.



Rezension:


Über Jahrtausende hinweg versetzte sein Name die Menschen in Angst und Schrecken. Asasel, Baphomet, Beelzebub, Legion, Mephisto, Satan - der Teufel trägt viele Namen. Er ist die Personifikation des Bösen, ein gefallener Engel der sich gegen Gott auflehnte, um dann nach verlorenem Kampf in die Unterwelt verbannt zu werden. Doch immer wieder erscheint er auf der Erde, bringt den Menschen Leid und verleitet sie zur Sünde. Und wenn das Weltgericht am jüngsten Tag entscheidet das man Schuld auf sich geladen hat, konnte man davon ausgehen das einem nach dem Tod unsägliche Qualen bevorstanden. An einem Ort den man Hölle nennt, unter dem Joch Satans. Manche stellen ihn sich als Tierähnliches Ungetüm vor, behaart, mit Hufen, Hörnern und einem Schwanz, andere wiederum als Gestalt mit Fledermaus ähnlichen Flügeln. Der Teufel jedoch hat viele Gesichter und manchmal auch das eines Gauklers. Doch ganz gleich in welcher Erscheinung er daherkommt, fungiert er als Verführer des Menschen. Ob es diesen Ort, an dem Frevler ihre Vergehen in ewiger Verdammnis verbüßen wirklich gibt - ich weiß es nicht. Zumindest glaube ich nicht daran. Doch gab es eine Zeit in der die Menschen sich die Welt mit Gott, oder dem Teufel erklärt haben, einer Zeit während der Freidenker der Ketzerei verurteilt wurden und jedweder Wissenschaftlicher Fortschritt von der Kirche im Keim erstickt wurde.


Zu eben dieser Epoche lebt Johann Georg. Von seiner Mutter nur Faustus - der Glückliche genannt. Schon als Junge ist er Wissbegierig wie kein zweiter, saugt alles Lehrreiche auf wie ein Schwamm. Und mit seinem Wissen hält er nicht hinter dem Berg. Weshalb er von den Kindern im Dorf gemieden wird, er ist anders als sie, ein Sonderling den sie nicht verstehen. Nur Margarethe, die Tochter des Pflegverwalters ist ihm zugetan. Als Johan acht ist findet, wie in jedem Jahr ein Markt in Knittligen statt. Kaufleute, Händler und Gaukler aus dem ganzen Reich begeben sich dort hin. Ein Spektakel welches die gesamte Dorfgemeinde in helle Begeisterung versetzt und auch Johann sehnt dieses Ereignis herbei. Seine besondere Freude gilt dabei den Spielleuten. Ein faszinierendes Völkchen, dass ihn mit den Artisten, Zauberern und Jongleuren immer aufs neue ins Staunen versetzt. Doch von einem Spielmann geht eine ganz besondere Anziehungskraft aus. Einem Magier, Astrologen und Chiromanten der sich Tonio del Moravia nennt.


„Tatsächlich sah der Mann, der eben die Bühne betrat, wie ein leibhaftiger Dämon aus. Er war lang und hager und trug einen schwarz-rot gestreiften Mantel, der an ihm flatterte wie die Flügel einer Fledermaus. Sein Gesicht war so bleich, als flösse kein Blut in ihm. die Nase war scharf geschnitten, was ihm das Aussehen eines Raubvogels verlieh…. Am unheimlichsten aber waren seine Augen, die schwarz und tief wie Sumpftümpel schimmerten.“

Als Johann Tonio nach der Vorstellung begegnet liest dieser ihm aus der Hand und prophezeit dem Jungen eine große Zukunft. Er wird die Welt aus den Angeln heben, denn er wurde, wie der Chiromant behauptet unter einem besonderen Stern geboren. Johann ist beeindruckt, auch seine Mutter versichert ihm immer wieder das er unter einem besondereren Stern geboren wurde. Nur viel mit der Aussage anfangen kann er noch immer nicht. Acht Jahre später, Johann ist sechzehn, die Gefühle Margarethe gegenüber werden leidenschaftlicher, doch sie soll schon bald mit einem reichen Bauern verheiratet werden. Margarethes Bruder Ludwig sind die Tändeleien der beiden gar nicht recht. Bringen sie doch somit die baldige Eheschließung in Gefahr und den damit verbundenen Reichtum für die Familie. Er verpasst Johann eine Abreibung. Doch hat er dafür einen denkbar schlechten Tag gewählt, denn Johann ist gerade auf dem Weg seiner Todgeweihten Mutter eine Medizin zu bringen die sie eventuell noch retten könnte. Doch es ist zu spät, während er noch gefesselt und blutend auf einem Ameisenhaufen liegt, stirbt seine Mutter. Das erste mal in seinem Leben verspürt er einen unbändigen Rachedurst. Doch er ist sich dessen bewusst, Ludwig Kräftemäßig unterlegen zu sein. Wenige Wochen später steht der Jahrmarkt vor der Tür und auch der Zauberer Tonio verweilt in Knittlingen. Als Johann erneut mit Ludwig aneinander gerät, weil dieser von seiner Mutter behauptet sie sei eine Hure gewesen, ist Johann gewillt sich Kopflos gegen drei halbstarke Jungs zu stellen. Doch Tonio der die Szene beobachtet geht dazwischen und entlockt ihm dabei seinen Wunsch, Ludwig tot zu sehen laut auszusprechen. Am Morgen darauf wird Ludwig, erschlagen von einem Balken, aufgefunden.


„Seine Finger, seine Hosen und sein Hemd waren rot von der Maische, aber es hätte auch Blut sein können. Ludwigs Blut.“

Seit einiger Zeit verschwinden immer wieder Kinder aus dem Dorf, die Bewohner vermuten es können Wölfe, oder Gesetzlose sein, die sich im nahegelegenen Schillingswald versteckt halten. Doch jede Suche nach ihnen war bislang erfolglos. Margarethe kommt die Idee selbst nach den Kindern im Wald zu suchen und zusammen mit Johann und dessen Bruder Martin machen sie sich auf den Weg in den Sagenumwobenen Schilligswald. Martin wird vom Wald verschluckt und während Johann panisch nach seinem Jüngeren Bruder sucht, stößt auch Margarethe auf etwas Grauenhaftes. Als Johann ihre Schreie hört packt ihn die nackte Angst und er rennt fluchtartig aus dem Wald. Wenige Tage später taucht Margarethe wieder auf, Körperlich unversehrt, aber Stumm. Mit keinem Menschen redet sie über das was ihr im Wald widerfahren ist und auch Johann kann sie nicht aus der Apathie befreien. Nur mit einem Satz würdigt sie ihn - „geh weg du bist der Teufel“. Nicht nur die Dorfbewohner machen Johann für das Unglück verantwortlich, auch er selbst gibt sich die Schuld daran. Ohne ein Wort des Wiederstands kehrt Johann Knittligen den Rücken, als sein Vater ihn aus dem Haus wirft. Um an Geld zu gelangen versucht er es mit Taschenspielertricks in einem Gasthaus, doch die Gäste halten ihn für einen Dieb und beschließen ihn Aufzuknüpfen. Und wieder ist es Tonio der im richtigen Augenblick auftaucht. Er erdolcht hinterrücks einen Mann und versteckt Johann in seinem Planwagen. Dafür das er ihm nun schon zum zweiten mal vor einem Unheil bewahrt hat, erwartet der Magier allerdings eine Gegenleistung. Johann soll ihm als Lehrling zu Diensten sein. Er willigt ein. Welche Wahl hätte er auch schon, allein, ohne Geld und Schutz durch das Reich zu ziehen, oder sich diesem mysteriösen fahrenden Astrologen mit den unergründlich schwarzen Augen anzuschließen. Während der Zeit die er mit Tonio del Moravia verbringt lernt er mehr als er es je für möglich gehalten hätte. Er lehrt ihn über die Monate nicht nur seine Taschenspielertricks zu perfektionieren, sondern auch das Handlesen und das deuten der Sterne. Im laufe der Zeit wird sein neuer Meister ihm jedoch immer unheimlicher, er hat irgendetwas mit Johann vor, doch kann dieser sich einfach nicht erklären was das sein könnte. Immer wieder lässt er verlauten, er sei der Auserwählte der die Welt in seinen Grundfesten erneuern würde. Als er zusammen mit Tonio während einer Vollmondnacht einen Wald betritt schwant Johann schreckliches. Ist er vielleicht die Opfergabe für ein grausiges Ritual? Als ihm ein Trank gereicht wird, ist Johann sich sicher, dass sein Meister mit dunklen Mächten im Bunde steht. Allerdings sieht er kein Entkommen, also trinkt er. Die Droge vernebelt seine Sicht, schärft gleichzeitig sein Bewusstsein und nun sieht er bestätigt, was er unterbewusst längst vermutet hat, dass es Tonio war, der die Kinder geraubt und dem Margarethe im Wald begegnet ist. Auf einer Lichtung wird er zum Mittelpunkt einer Orgie, die er nur in Trance wahrnimmt. Um ihn herum nackte Leiber und die Körper toter Kinder, die in den Ästen der Bäume hängen. Das grand finale eines perfiden Ritus.


Chapeau - für dieses absolute Glanzstück. Dieses Buch hat all meine Erwartungen um Längen übertroffen. Dabei dachte ich zu beginn noch, das Oliver Pötzsch wirklich eine menge Mut besitzen muss, um eines der bedeutendsten Werke der deutschen Literaturgeschichte neu aufleben zu lassen und das ich mit Sicherheit nicht umhin kann, beide Werke miteinander zu vergleichen. Doch schon nach den ersten Seiten konnte ich meine Befürchtungen getrost über Board werfen und mich voll und ganz auf

„Der Spielmann“ als eigenständiges Werk einlassen. Natürlich ist mir nicht entgangen das Oliver Pötzsch sich von Goethes „Faust“ hat inspirieren lassen. Zumal er seinen Roman mit einigen Zitaten aus dem Fauststoff schmückt und auch der Grundtenor ist in etwa ähnlich ist. Doch hat er eine völlig neue Welt um Faust gewoben, dessen Persönlichkeit eine fesselnde Faszination auf mich ausübte. Ein Junger Mann, niemals ruhend, immer auf der Suche nach Wissen und dabei mit sich im inneren Konflikt zwischen Glaube, sozialer Anerkennung und Wissenstaft stehend. Ein Buch- dynamisch, lebendig, dunkel, mit gut recherchierten Fakten und einer Wortwahl die den perfekten Spagat zwischen Verständlichkeit und dem Gefühl sich in der Renaissance zu bewegen schafft. Eines der abenteuerlichsten und grausamsten Romane die ich seit langem gelesen habe. Der als

i - Tüpfelchen auch die Liebe nicht vernachlässigt.


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